13.12.97
Solischnitte der Aufschwungtorte blieb
im Osten
Kabarettist Gerhard Polt eröffnete Gille-Ausstellung
im "Leipziger Hof"
Leipzig (jg). Wo gleich drei Ereignisse zum Fest rufen, werden
Neugier und Laune der Gäste potenziert. Im Hotel "Leipziger
Hof" verfehlten das Fünfjährige des Hauses, die Einweihung
des neuen Tagungsraums für 60 Personen und die 10 Ausstellung
in der hauseigenen Galerie diese Wirkung nicht. Zur Vernissage
konnte Hausherr Prof. Dr. Klaus Eberhard rund 150 Vertreter
der Kulturszene begrüßen. Und aus München war
extra der Kabarettist Gerhard Polt angereist, um über seinen
Malerfreund und dessen Werk zu sprechen. Sighard Gille, Vertreter
ihrer mittleren Generation, ist schon seit Jahrzehnten ein Aushängeschild
der sogenannten Leipziger Schule. Besuchern der Stadt ist er
mindestens durch sein riesiges Wand- und Deckengemälde
im Gewandhaus bekannt. Im Westen hatte er sich nicht zuletzt
durch eine Personalschau in der Sammlung Ludwig einen Namen
gemacht. Die jetzige Ausstellung zeigt Bilder, Zeichnungen und
Grafiken zu Problemkreisen, mit denen sich der Künstler
seit 1989 befaßt: "Das Auswildern, die Kokons, das sich
Verpuppen, der Ausbruch, die leeren Hüllen: "Im Mittelpunkt
die über drei Meter hohe Figur "Jahrtausendschwelle" und
das Gemälde "Aufschwung Ost". Polt stimmte in launig, hintersinniger
Weise auf das Erlebnis ein. Senf zur Kunst wolle er nicht geben,
nur zum Umfeld sprechen: "Kunstmaler zu werden ist heut ein
Wahnsinn. Es sei denn, man stilisiert für eine Immobilienfirma
mit Pinsel und Palette gegen gutes Salär ein Altstadtviertel
zum Bohèmequartier hoch", lautete seine erste These.
Das Verhältnis zum Galeristen pointierte die Anekdote vom
verhungernden Künstler, dessen Röntgenbilder besser
als seine Stilleben gingen. Und Zusammenwachsen von Ost und
West erübrige sich, wie röhrende Hirsche in allen
deutschen Schlafzimmern bewiesen. Gille quittierte ihm mit gleicher
Münze, in dem er von der zum Dank überreichten "Aufsschwung-Ost-Torte"
die Solischnitte gleich einbehielt.
Da die ohnehin nur aus Kunststoff war , hielt sich der Kabarettist
an Hefeweizen und ein Menü, das Küchenchef André
Dietze aus Karpfen-Gemüsesülzchen, einem Dialog von
Hasenrückenfilet und Wildschweinmedaillon mit Speckrosenkohl
und Steinpilznudeln und einer speziellen Dessertvariation komponiert
hatte. Das mundete. Kein Wunder, hat sich doch der 28-jährige
bereits in den "Feinschmecker" und gerade erst auf den dritten
Platz der Leipziger Hotelrestaurants gekocht. Mindestens ebenso
hoch wird das gemütliche Hotel im altstädter Kiez
längst von auswärtiger Kunst- und Kulturprominenz
und der einheimischen Bohème geschätzt. Die Sammlung
Leipziger Malerei aus acht Jahrzehnten findet außerhalb
des örtlichen Bildermuseums nicht ihresgleichen. Neben
Personalausstellungen bringen interessante Gesprächsrunden
viel Publikum ins Haus. Ein Biergarten, der im Innenhof zur
nächsten Freiluftsaison sein Debüt geben wird, und
vor allem das gerade fertig gestellte Atelier, das im Frühjahr
der erste Künstler als Stipendiat des Hauses beziehen wird,
dürften die Anziehungskraft noch steigern.
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