KREUZER Tag und Nacht
07'99
A.R. Penck. Für den Leipziger
Hof (Augen. Zone D), 1991
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Verwoben mit der Kunst
Die Galerie Leipziger Hof oder was Sie tun müssen,
um eine Nacht mit A.R. Penck zu verbringen
Art-Hotels gibt es auf der ganzen Welt - nur nicht in Leipzig.
Dafür gibt es den Leipziger Hof, und der ist andersartig.
Hier ist vor Ort der Ort im Original zu erleben, insbesondere
hinter der Hoteltür. Über 200 Bilder eröffnen
dem Gast einen erweiterten Zugang zur Stadt - über die
Malerei.
Den Mann, der in diesem Ambiente als Gastgeber fungiert, verschlägt
es 1990 eher zufällig selbst als Gast nach Leipzig. Die
vom Abbruch bedrohte Bausubstanz und im Aufbruch begriffenen
Menschen faszinieren ihn.
Schon ein Jahr später kehrt der Atomphysiker Klaus Eberhard
in die ehemalige Zone zurück, besser in die "Zone D - Innenraum",
in den Untergrund unter dem Markt, wo es nunmehr offiziell brodelt.
Denn die erste Ausstellung des Förderkreises der Galerie
für Zeitgenössische
Kunst zeigt gemeinsam Arbeiten ost- und westdeutscher Künstler,
dokumentiert, analysiert und provoziert. Was sich hier bewegt,
bewegt auch Eberhard - und zwar dazu, ein Gründerzeitwohnhaus
in der Hedwigstraße im zentrumsnahen Leipziger Osten zu
kaufen und in ein Hotel umzubauen, in dem der Gast durch die
Zeiten dieser Stadt wandeln kann, mit Fluren und Zimmern voller
Bildwelten, vor denen er als Betrachter fremder Ansichten sich
selbst ein Bild von Leipzig machen muß, bevor oder nachdem
er in die Stadt eingetaucht ist.
Käthe Kollwitz, Städtisches
Obdach, 1926
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Die ersten 40 Arbeiten, die Eberhard nach der Eröffnung
im Dezember `92 ausstellt, sind dem Privatbesitz von Klaus Werner,
heute Direktor der Galerie für Zeitgenössische Kunst,
entliehen. Dann kauft er, läßt sich von den Kunstkennern
der Stadt beraten, kauft weiter und wird beschenkt mit Bildern
und Gästen, die von seiner Idee begeistert sind. Von Bildern
aus den 20er Jahren wie von Hanns Rossmanit über Werke
aus der "Leipziger Schule", beispielsweise von Bernhard Heisig
und Wolfgang Mattheuer, bis hin zu Arbeiten von Leipziger Newcomern
wie Neo Rauch läßt sich ein Spektrum an Werken finden,
die die Stadt nicht einfach illustrieren, sondern sich zum kritischen
Zwiegespräch anbieten. Die Sammlung des Leipziger Hofes
konzentriert sich dabei vorrangig auf künstlerische Auseinandersetzungen
mit der Stadt in den Nachwendejahren.
Eine von vielen Gästen besonders bewunderte Arbeit ohne
sichtlichen Leipzig-Bezug stammt von Käthe Kollwitz. Die
Geschichte, die sie in die Kollektion des Leipziger Hofes einbindet,
ist mit der eines anderen Bildes verbunden. Eberhard erstand
die Kollwitz-Lithographie bei der Auktion zur Rückerwerbung
des Otto Müllerschen "Liebespaares" für das Museum
der bildenden Künste, und er ist stolz auf diesen Schatz,
der ganz selbstverständlich im Hotelflur hängt.
Inzwischen ist Eberhard verwoben mit der Stadt und ihrer Kunst.
Und so tritt der einst von der Dynamik der Stadt Bewegte selbst
als Motor auf. Mit der 1995 eröffneten Galerie offeriert
er dem Leipziger Publikum und den Gästen der Stadt ein
Kunstforum, das sich durch Breite auszeichnet, Reibungsflächen
bietet und Räume für Diskussionen eröffnet.
Neo Rauch, Marineschule, 1995
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Eberhard will selbst Spannung erzeugen. Daher gibt es in "seinem"
Hotel nicht nur ein Zimmer für auswärtige Künstler,
die er für einige Monate zum Arbeiten nach Leipzig einlädt
und deren Spuren sich in Form von Bildern an den Hotelwänden
finden lassen, sondern er bemüht sich auch zusammen mit
der Hochschule für Grafik und Buchkunst und der Leipziger
Wohnungsbaugesellschaft, außerhalb des Leipziger Hofes
in der Hedwigstraße eine "Kunstmeile" zu installieren,
die jungen Künstlern Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten
bieten soll.
Eberhards Gästebuch bestätigt den Gewinn, den die
Hotelbesucher des Leipziger Hofes empfinden, nachdem sie vor
einem Max Schwimmer gespeist oder von A.R.Pencks und Hartwig
Ebersbachs Bildern umgeben genächtigt haben.
Denn "Hier schlafen Sie mit einem Original!"
Annette Ullrich |