Kosmos der Farbe. Zu den Bildern von Britta Schulze.Elmar Schenkel![]() Ich darf heute als absoluter Laie zu Ihnen sprechen, denn ich bin von Beruf Literaturwissenschaftler und Literat. So darf ich mir auch Urteile erlauben, die Kunstkritikern und -historikern nicht erlaubt sind. Ignoranz hat viele Nachteile, sie macht aber auch frei. Eigentlich sollte ich heute eine andere Veranstaltung und zwar eben in den Literaturwissenschaften moderieren. Als Britta Schulze jedoch vor einigen Tagen mit ihren Bildern zu mir kam, habe ich mich gleich in deren Farben verliebt. Es fiel mir daher nicht schwer, den anderen Termin sausenzulassen und mich zu etwas Wichtigerem zu äußern als Wissenschaft, und das ist die Kunst. Mir fiel zunächst auf, daß Britta Schulze, obwohl sie aus dem Umfeld der neuen Leipziger Schule kommt, ein anderes Verhältnis zur Farbe hat, oder besser: die Farbe in ihrer ursprünglichen Reinheit wieder zu entfalten wagt. Heute am Pfingstwochenende ist Leipzig wieder einmal in Schwarz gehüllt, die Goten durchziehen melancholischen Blickes unsere Straßen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Für die Farbe bedeutet dies aber: durch ihre Negation wird sie erst wieder sicht- und fühlbar. Auf dem Weg zu dieser Veranstaltung habe ich mich über eine Angelegenheit innerhalb der Universität geärgert. Kein schönes Gefühl, wir kennen es alle. Manchmal muß man für Lösungen, auch von Gefühlen, nach dem Nächstliegenden suchen. Dort liegt meist ein Schlüssel. In diesem Fall, um mich von dem unschönen Gefühl zu lösen, dachte ich über Farben nach. Ich wurde mir der Farben bewusst, die an mir vorbeiglitten, als ich so durch Leipzig radelte, in den Auslagen, Werbepostern, in der Kleidung, aber vor allem in den Resten von Natur, die die Stadt durchzieht. Es waren auch hässliche Farben dabei, künstliche, schwache und starke. Aber ich stellte mir für einen Moment vor, daß all diese Farben mir freundlich zugetan seien. Wenn man sich ärgert oder traurig ist, braucht man Freunde. Diese Farben erwiesen sich plötzlich als wirkliche Wesen, die einem zuwinken und Unterstützung geben. Daniel Barenboim hat kürzlich über Musik gesprochen und gesagt: die Töne der Musik gehen direkt in den Menschen hinein, ohne jenen oft langwierigen mentalen Umweg, den zum Beispiel die Sprache braucht. Ich denke, dasselbe lässt sich über Farben sagen. Sie sind ein direkter Weg in die Seele. Von diesem Weg in die Seele, der ein Weg der Farbe ist, sprechen die Bilder Britta Schulzes. Tiere haben natürlich auch einen Farbsinn, oft stärker ausgeprägt als beim Menschen. Man hat den Menschen immer wieder neu zu definieren gesucht in Abgrenzung vom Tier: das zoon politikon, das gesellschaftsbildende Tier, das lachende Tier, das sprechende oder denkende Tier. Aber vielleicht liegt ein älterer, ja vorsprachlicher Unterschied in der Farbe. Der Mensch hat nicht nur einen Farbsinn, er gibt und macht Farbe, er ist das farbgebende Tier. Britta Schulze hat sich neben ihrer Malerei viel mit Ursprüngen und vorzeitlichen Mythen beschäftigt. Möglicherweise liegt die Anziehungskraft für alles Frühe und Erste eben schon in der Farbe. Aus dem Farbsinn des Menschen entstand Feuer, Sprache und nicht zuletzt die Malerei. Britta Schulzes Bilder, wie auch ihre Lehmhütten und Labyrinthe, führen uns an solche Ursprünge zurück, damit wir uns an ihnen erneuern. Und da dies die Eröffnung einer Ausstellung ist, kommt mir dieser Ausspruch von Paul Cézanne gerade recht: Durch die Farben gehen einem alle Gegenstände wie ein Glas Wein in die Kehle. In diesem Sinne: lassen sie sich berauschen von dem farbigen Kosmos, den Britta Schulze uns hier aufgetan hat. ©Elmar Schenkel
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