08.05.01
"Hier
schlafen Sie mit einem Original!"
Klaus Eberhard (eigentlich
Kernphysiker), der in seinem Leipziger Hotel erstklassige
Kunst hortet und auch zeigt
Krawatte oder Mousepad? Bei Klaus
Eberhard stellt sich die Frage nicht. Wer nicht weiß,
was er dem Atomphysiker, Hotelinhaber und Galeristen schenken
soll, liegt mit Kunst immer richtig. Nur Leipziger Schule
sollte es sein. Die Kostenfrage spielt übrigens nicht
die Rolle:
Der Fotograf Armin Kühne (r.) und der
kunstliebende Hotelchef in der Galerie des "Leipziger Hofs":
Klaus Eberhard, heute in Leipzig beinahe zu Hause, wurde anno
1940 in Dinslaken am Niederrhein geboren, studierte und promovierte
am Max-Planck-Institut in Heidelberg und lehrte als Professor
u.a. in Seattle. Foto: André Kempner
Eberhard verkehrt in Künstlerkreisen, so dass der Schenkende
fast nur in Farben investieren muss. Letztes Jahr feierte
der Professor den 60. - und erhielt unter anderem 15 Originale.
Die waren durchweg zeigenswert, wie eine Interimsausstellung
im Galerie Hotel Leipziger Hof bewies. Dabei waren Werke von
Christine Ebersbach, Werner Tübke, Ursula Mattheuer-Neustädt
und Gerald Müller Simon. Besonders gern hat Eberhard
jedoch das Geschenk von Sighard Gille, Malereiprofessor an
der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Da ist der Jubilar
selbst zu sehen, zusammen mit Kabarettist Gerhard Polt und
dem Künstler. Das farbenfrohe Bild hält fest, wie
die Drei nach einer feucht-fröhlichen Vernissage Gilles
Skulptur "Jahrtausendschwelle" wegtragen, weil der Raum gebraucht
wurde.
Eberhard hat viele Anekdoten auf Lager. Seit knapp zehn Jahren
wohnt der Wahlmünchner auch in Leipzig, inzwischen zwei
Drittel des Jahres. Redet er, leise und fesselnd, scheint
es, er verkehre seit den 70ern in der hiesigen Szene. Dies
mag daran liegen, dass er gut zuhören kann, Interesse
ausstrahlt, Leute kennt, die ihn eingeweiht haben. Ein weiteres
Geschenk, eine Karikatur von Luis Murschetz, der für
"Süddeutsche Zeitung" und "Zeit" zeichnet, erzählt
noch mehr über Eberhard: Sie zeigt einen Zirkusdirektor
mit Reifen, durch den ein Pferd springen soll, als wäre
es eine Raubkatze.
Und Eberhard er hat das Pferd tatsächlich durch den Reifen
springen lassen: fast Unmögliches geschafft. Aus seinem
Hotel, ursprünglich als reine Investition gedacht, hat
er in der Kulturbrache des Leipziger Ostens eine Art Privatmuseum
gemacht. Bei laufendem Gästeverkehr. Treffend der Slogan
des Leipziger Hofs: "Hier schlafen Sie mit einem Original!"
Wer will, hat einen echten Mattheuer überm Bett. 72 Zimmer
mit Kultur-Wert stehen zur Wahl.
Mehr als 200 Bilder umfasst Eberhards in wenigen Jahren entstandene
Sammlung inzwischen. Vorzeigbares bis Prächtiges, meist
von Absolventen der Leipziger Schule. Ihr "Who Is Who" gewissermaßen:
Wolfram Ebersbach und Gerald Müller-Simon findet sich
übers Gebäude verteilt. Ein expressives Max-Beckmann-Porträt
von Bernhard Heisig hängt im Flur. Arno Rinks erotisches
Großformat "Unterm Tuch" im Treppenhaus. Wolfgang Mattheuers
unheilvoller "Jahrhundertschritt" mahnt als handkolorierter
Linolschnitt in der Lobby. Neben den großen alten Herren
finden sich die bereits etablierten Jüngeren, Neo Rauch
etwa, Michael Triegel und auch Michael Fischer-Art, der Garageneinfahrt
und Hotelvan gestaltet hat. Selbst die nächste Generation
gibt's schon bei Eberhard. Martina Munse beispielsweise, 23-jährig,
HGB-Studentin. Eberhard hat ihre Werke letzten Herbst mit
"großem Erfolg" bei sich ausgestellt. Wiederholung im
September.
Dem Gast im Leipziger Hof (das waren bereits der Komiker Mike
Krüger, Mäzen Arend Oetker, Heute-Journal-Sprecher
Wolf von Lojewski oder Physiknobelpreisträger Rudolf
Mössbauer) begegnen auf dem Weg zum Frühstück
erste Stadtansichten. Der Grundkurs in Sachen Leipziger Schule
folgt unumgänglich.
Dabei begann alles zufällig: 1991, noch während
des Umbaus, geriet Eberhard in die "Zone D - Innenraum". Und
war so begeistert, dass er den Ausstellungsmacher kennenlernen
wollte.
Klaus Werner, heute HGB-Rektor, empfing ihn freundlich, nahm
ihn sogar mit in Ateliers. So lernte der Kunstfreund Tübke
& Co persönlich kennen, zog neugierig durch die Hochschule.
Beim Aufbau seiner Sammlung hatte er gute Berater: Neben Werner
waren das Rainer Behrends, Kustos der Universität, Dietulf
Sander, Leiter der Gemäldesammlung des Museums der bildenden
Künste, sowie die Kunsthistoriker Peter Guth und Günter
Meißner.
Irgendwie ist die Sammlung aber auch Willy Brandt zu danken:
Der kämpfte Ende der 60er gegen die Abwanderung von Wissenschaftlern
aus Deutschland. Eberhard hatte bereits eine attraktive Professur
an der Universität von Tallahassee, Florida, als ihn
ein sehr vorteilhaftes Angebot des Außenministers nach
München lockte. Vorlesungen an der Ludwig-Maximilians-Universität
hält er noch heute. Hendrik Pupat
Leipziger Hof, Hedwigstraße
1-3, Tel. 0341/6974-0, www.leipziger-hof.de, Führungen
durch die Sammlung: mittwochs 18 Uhr, danach gibt's ein Menü,
das in Absprache mit dem gerade ausstellenden Künstler
entstanden ist - derzeit der Fotograf Armin Kühne.
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