13.07.96
Der Münchner Physikprofessor
Klaus Eberhard wurde im Nebenberuf Leipziger Hotelier und
Kunstsammler. Im Hintergrund Gemälde von Rosa Loy. Foto:
Volkmar Heinz
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Ölbilder überm Bett und eine
Unbekannte auf 408
Kunst und Schlafen: Der "Leipziger Hof" lockt mit 150
Werken und einer Galerie
Auf einer Urlaubsfahrt vor sechs Jahren hat ein Physikprofessor
aus München in Leipzig eine Pause eingelegt. Klaus Eberhard
gefiel die Stadt. Er ließ sich von der Tristesse nicht
täuschen und kaufte ein heruntergekommenes Eckhaus an der
Hedwigstraße nahe des Neustädter Marktes. Als Hotel
Leipziger Hof leuchtete die sorgsam restaurierte Fassade als
eine der ersten im Viertel. Hotelbesitzer zu sein, war dem Mann
aus München zu wenig. Der leidenschaftliche Kunstfreund
verwandelte die Herberge der gehobenen Mittelklasse in ein Museum
der besonderen Art. Auf vier Etagen, in dem Zimmern und Fluren
wurden Dutzende von Gemälden und Grafiken angebracht, die
auf vielfältige Weise mit der Stadt in enger Beziehung
stehen. Fast alle der sechzig Künstler, von denen insgesamt
150 Werke stammen, hat er in ihren Ateliers besucht und zum
Gespräch ins Hotel eingeladen. Dieser enge persönliche
Bezug sei ihm wichtig, sagt Eberhard. Guten Rat von Experten
hat er sich eingeholt, aber die Sammlung, deren Schwergewicht
auf den 80er und 90er Jahren liegt, trägt seinen eigenen
Stempel. Hanns Rossmanit, ein Leipziger Maler der ältren
Generation, ist mit einer 1932 entstandenen Ansicht aus dem
Stadtteil Lindenau vertreten, von 1949 stammt die "Straßenbrücke
in Connewitz". Unverwechselbar sin die in matten Farben gemalten
Stadtporträts von Heinz Müller mit seiner Vorliebe
für menschenleere Winkel, in denen leise Wehmut nistet.
Günter Richter setzte den ehemals stolzen Bürgerhäusern,
die hoffnungslos verotteten, mit akribischem Pinselstrich noch
als Ruine ein Denkmal. Die Pauliner-Kirche hat Gerald Müller-Simon
in dem Bild "Umgestaltung des Karl-Marx-Platzes" von 1986, fast
zwei Jahrzehnte nach ihrer sinnlosen Sprengung, in die Erinnerung
geholt. Sein Gemälde "Kräne" aus dem Jahr 1994 dokumentiert
die Bauwut nach der Wende. Wie auch Joachim Scholz' "Blick zum
ausbaufähigen Dachgeschoss" aus dem selben Jahr. Neben
den Stadtmotiven hat Klaus Eberhard auch Interieurs und Stilleben
von Leipziger Malern in seine Sammlung aufgenommen. Von dem
großformatigen Ölbild "Tischgesellschaft", das im
Restaurant hängt, mochte sich Günter Albert Schulz
nur nach viel Zureden trennen, erinnert sich der Sammler. A.R.
Penck gab einen Farbsiebdruck als Geschenk, der für 1991
die Leipziger Ausstellung "Zone D- Innenraum" entstand. Schließlich
weiß Penck, der sein Dresdner Art-Hotel mit eigenen Werken
bestückte, daß Kunst Gäste bringt. Der sichere
Sinn für das Geschäft ist auch Klaus Eberhard nicht
abzusprechen. Damit die Kunst im Haus lebendig wird, mischt
er junge Künstler unter die Geschäftsleute und Touristen,
die sich im Leipziger Hof einquartieren. Demnächst wird
ein Gebäude im Hinterhof zu Ateliers umgebaut - Lebensraum
für die Bohème. Der tschechische Maler Jan Vancura
dankte für freie Kost und Logis mit dem Bild "Leipzig im
Nebel". Die Konzeptkünstlerin Iris Häusler hinterließ
in Zimmer 408 ein vergängliches Kunststück von dauerhaftem
Erinnerungswert. Kunstinteressierte Hotelgäste durften
die Nacht mit einer fiktiven Person verbringen, die in 408 neben
dem zerknautschten Kopfkissen einen Mantel im Schrank und ein
Gedichtband von Rilke im Koffer hinterlassen hatte. Die Buchungen
liefen bestens. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es im Leipziger
Hof eine eigene Kunstgalerie, die mit grafischen Arbeiten Werner
Tübkes eröffnet wurde. Es folgten, parallel zur Ausstellung
von Hartwig Ebersbach im Leipziger Museum der bildenen Künste,
Arbeiten von dessen Bruder Wolfram und Frau Christine. Zur Zeit
wird Rosa Loy präsentiert. Bescheiden, feinsinnig und zurückhaltend,
wie der Physikprofessor ist, kommt er meist mit der Geduld und
Beharrlichkeit des Naturwissenschaftlers ans Ziel. Seine Projektidee,
die leerstehenden Wohnungen in der Nachbarschaft bis zur Sanierung
Kunststudenten und jungen Künstlern für wenig Geld
als Ateliers zu überlassen, ist allerdings an der städtischen
Bürokratie gescheitert. Aber dem Mäzen, der sein Leben
zwischen Leipzig und München teilt, gehen die Ideen ncoh
lange nicht aus. Christine Hochstein |