Markus Bläsers Bild "Parthegraben"
Von JENS KASSNER
Der als Galerie und Hotel gleichermaßen fungierende Leipziger Hof im ansonsten nicht sonderlich
kunstaffinen Stadtteil Neustadt-Neuschönefeld bezeichnet sich selbst ganz offiziell als einen Hort der Leipziger Schule.
Wenn nun zwei Leipziger Künstler ausstellen, die hier geboren wurden, beide an der HGB ausgebildet sind, und wenn auf Seiten
der Lehrer Namen wie Gille, Rink oder Münzner fallen, dann kann man wieder einmal wunderbar über den so schwer fassbaren
Begriff meditieren oder streiten.
Vicky Ritter und Markus Bläser malen Bilder, auch wenn bei Ritter die Druckgrafik als zweites Metier hinzukommt; "zwei:beide"
- wie sie sich programmatisch im Ausstellungstitel nennen - arbeiten gegenständlich. Das war es dann aber fast auch schon an
Gemeinsamkeiten.
Menschen kommen bei Markus Bläser bestenfalls als Randfiguren vor, wenn es die Komposition wünschenswert erscheinen lässt.
Sein Thema ist die Architektur, oder exakter gesagt: die gebaute Umwelt. Also keine beeindruckenden Fassaden und Festsäle,
sondern eng angeschnittene Details oder Durchblicke mit Gespür für Nebensächlichkeiten. Die Farbe trägt er in kräftigen
Zügen mit dem groben Pinsel auf. Da scheint durch, dass auch Hartwig Ebersbach zu seinen Professoren gehörte. Bei manchen
Bildern werden die Örtlichkeiten durch den Titel aus der Anonymität geholt. "Parthegraben" heißt eines, "Blaues Wunder" ein
anderes. Damit ist offensichtlich nicht die berühmte Dresdner Brücke gemeint, sondern das verschwundene Ungetüm am
Gördelerring. Häufig erscheint die reale Situation aber nur ein Vorwand zu sein, um Form und Farbe für sich wirken zu lassen.
Das Großformat "Coupé" ist bezeichnend dafür. Lasierende Farben lassen die weite Fläche flirren, dunkle Strukturen sind an
den rechten Rand geschoben.
Bei Vicky Ritter steht der Mensch nicht nur im Mittelpunkt, er füllt den Raum vollständig aus. Auch wenn sich ein Bild "Idol"
nennt und solch ein religiöser Gegenstand vor einem liegenden Mann zu sehen ist, spielen Mythen keine ernsthafte Rolle. Es
geht um die alltäglichen banal-komplizierten Beziehungen untereinander. "Verlangen" heißt eines der Gemälde. Ein Mann mit
verbundenen Augen steht hinter einer hockenden, nackten Frau. Ob er sie zärtlich and der Schulter berührt oder würgt, ist
nicht eindeutig erkennbar.
Stilistisch ist Vicky Ritters Malerei eine Reise zurück in die nicht radikale Sekundärmoderne von Paula Modersohn bis Karl
Hofer mit ihrem Hang zum Archaischen. Die schlichten Figuren sind klar konstruiert, aber flächig gehalten und überwiegend in
stumpfen, gebrochenen Farben, von denen sich manche kräftigere Töne wirksam abheben. Will man Bläser und Ritter zur
Leipziger Schule zählen, muss man diese Marke noch etwas mehr aufbohren. Oder man lässt es.
Markus Bläser und Vicky Ritter "zwei:beide": bis 14. September, täglich 10-20 Uhr;
Galerie Hotel Leipziger Hof, Hedwigstr. 1-3
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